Mit seinen 20 Mitarbeitern fertigt die thüringische Seifferth GmbH Spritzgussformen und seriennahe Prototypen aus 500 verschiedenen Kunststoffen – hauptsächlich für die Automobilindustrie, die Glasveredelung sowie die Medizinbranche. Die Genauigkeitsvorgaben für diese Spritzlinge sind streng: Schon wenige hundertstel Millimeter Abweichung vom geometrischen Soll disqualifizieren das produzierte Teil.
3D-Scanner löst taktile Messverfahren ab
„Früher haben wir uns damit begnügt den fertigen Prototypen bei einem Dienstleister taktil vermessen zu lassen, doch im Laufe der Jahre wurden wir mit dieser Vorgehensweise immer unzufriedener“, berichtet Ulrich Seifferth, Geschäftsführer der Seifferth GmbH. „Einerseits waren wir auf die zeitliche Verfügbarkeit des Dienstleisters angewiesen, andererseits empfanden wir die Informationsdichte, die man durch das taktile Messen erhält, zunehmend als ungenügend. Am Ende weiß man, dass bestimmte Punkte stimmen. Doch was ist mit dem Rest?“
So reifte der Gedanke, in eine eigene Messmaschine zu investieren, die die gesamte Bauteilfläche in sehr hoher Genauigkeit erfasst. Ende 2016 fiel die Wahl auf den Präzisionsscanner ATOS Capsule von GOM. Anfangs kam nur der ausgebrachte Prototyp unter den Scanner. „Doch dann erkannten wir das bis dato ungenutzte Potenzial des ATOS Capsule: Das System lässt sich flexibel und ortsunabhängig einsetzen. Warum also nicht auch die Werkzeuge einscannen, um schon bei deren Herstellung mögliche Fehlerquellen auszumerzen?“, so Seifferth. Heute wird der ATOS Capsule in allen Stufen des Fertigungsprozesses genutzt. „Wir scannen materialunabhängig alles, was wir bauen: einzelne Frästeile aus dem Formenbau, die Werkzeugeinsätze, teilweise direkt an der Tuschierpresse, sowie die eigentlichen Prototypen aus Kunststoff.“
Im Benchmarking überzeugend
Für die Prüflinge der Seifferth GmbH, sprich Teile mit komplexen Konturen, engen Toleranzen, anspruchsvollen Oberflächen, ist der ATOS Capsule optimal geeignet. Die im Präzisionsscanner verbauten Hochleistungssensoren erfassen berührungslos innerhalb von 1 bis 2 Sekunden bis zu 12 Millionen unabhängige Messpunkte, sodass der Scanner selbst minimale Abweichungen vom Soll aufdeckt.
„Die Aufnahmequalität des Scanners ist immens“, meint Ulrich Seifferth, „auch im Marktvergleich. Vor der Anschaffung des ATOS Capsule haben wir das System mit der Lösung eines anderen Anbieters gebenchmarkt. Der ATOS Capsule überzeugte uns mit einer bedeutend besseren Qualität des erzeugten Polygonnetzes.“ Auch bei Werkzeugeinsätzen mit hochglanzpolierten Oberflächen ist auf den 3D-Scanner von GOM Verlass: Das Triple Scan Prinzip (siehe Textkasten) gewährleistet trotz Reflexion eine hohe Datendichte ohne Aussetzer. Die integrierte Blue Light Technology sorgt dafür, dass störendes Umgebungslicht bei der Bildaufnahme ausgefiltert wird. Die Lichtquellen sind so leistungsstark, dass auch auf unkooperativen Oberflächen Messdaten erfasst werden.
Gezielt optimieren statt lange experimentieren
Heute ist der ATOS Capsule bei Seifferth integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Produktionsoptimierungsstrategie, die die Präzision in allen Prozessstufen in den Fokus stellt. „Das Spritzgießen von Hightech-Kunststoffteilen ist extrem anspruchsvoll“, erklärt Geschäftsführer Ulrich Seifferth. „Eine Vielzahl an Parametern entscheidet darüber, ob das Teil am Ende perfekt wird. Wir arbeiten oft mit thermoplastischen Hochleistungskunststoffen, die bei der Verarbeitung ihren eigenen Regeln folgen und eine spezielle Ausrüstung erfordern: darunter glasfaserverstärktes Polyamid, wie z. B. PPS GF 40 oder zahlreiche Polyamide mit sehr hohen Einsatztemperaturen, welche auch als Metalersatzwerkstoffe eingesetzt werden. Das Wissen über das Materialverhalten muss schon in die Konstruktion der Werkzeuge einfließen.“
Darum beginnt das Hinterfragen bereits beim Startgespräch mit dem Kunden: Welchen Belastungen und Temperaturen wird das Teil später ausgesetzt? Sind die vorgesehenen Wandstärken wirklich schlüssig? Welches Material ist für den vorgesehenen Einsatzzweck das Beste? Seifferth und sein Team stellen alle Details auf den Prüfstand. „Anschließend machen wir uns an die Konstruktion der formgebenden Werkzeugeinsätze und setzen diese in Stammaufbauten ein. Die Konstruktion mit Anspritzpunkt und Kühlsystem validieren wir mithilfe einer Spritzgusssimulation. Diese gibt u. a. Aufschluss über das Verhalten der Schmelzefront und den zu erwartenden Verzug. Das Werkzeug wird virtuell so lange optimiert, bis alle Stellschrauben passen. Das minimiert die Werkzeugnacharbeit immens.“
Formenbau: Space Puzzle Molding mit mehrstufiger Objektdigitalisierung
Doch das Werkzeug darf nicht nur auf dem Papier den Eignungstest bestehen, sondern muss mit Perfektion gefertigt werden. „Die Konstruktion ist die Pflicht – die Fertigung die Kür. Ist beim Spritzling eine Genauigkeit von 0,02 mm gefragt, muss das gefräste Werkzeug logischerweise eine noch höhere Präzision aufweisen. Bei komplexen Konturverläufen und wenn pro Einsatz zehn Fräswerkzeuge gebraucht werden, kann das durchaus zur Herausforderung werden.“
Seifferth setzt im Formenbau auf das Space Puzzle Molding, bei dem das 400 bis 600 mm große Werkzeug aus vielen kleinen Einzelteilen zusammengesetzt wird. Änderungen am Prototypen oder Werkzeug lassen sich bei diesem Baukastenverfahren besonders schnell und kostengünstig realisieren, indem nur die betroffenen „Puzzleteile“ anstelle der gesamten Form angepasst werden.
Der ATOS Capsule ist dabei mehrfach involviert: Im ersten Schritt digitalisiert Seifferth jedes einzelne Frästeil aus Aluminium, Stahl oder gehärtetem Stahl, das später im Werkzeug verbaut werden soll. So erhält das Team bereits vor Anfertigung der Gesamtform detaillierte Qualitätsinformationen und Fehler an einzelnen Teilen können sich nicht zu einem inakzeptablen Gesamtfehler kumulieren. Der Soll-Ist-Vergleich gibt Aufschluss darüber, ob und an welcher Stelle das Frästeil nachgebessert werden muss. Anschließend setzt das Seifferth-Team das Werkzeug zusammen und überprüft die Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität des Werkzeugs abermals per Scan. Dann geht es an die Tuschierpresse, um die Funktionalität des Werkzeugs unter realitätsnahen Bedingungen zu prüfen. Auch hier kommt der Scanner zum Einsatz. „Auf diese Idee kamen übrigens meine Mitarbeiter“, berichtet Ulrich Seifferth. „Ich habe ein wirklich großartiges Team, das immer auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten ist. Mit dem Scanner arbeiten die Kollegen gern, weil er einfach zu bedienen ist. Also ziehen sie ihn so oft wie möglich zu Rat.“
Begleitende Messungen während der Serie
Die Serienfertigung umfasst bei Seifferth zwischen 50 und 7.000 Teile – und auch hier möchte niemand mehr den Scanner missen. „Einerseits messen wir die Teile stichprobenartig, um Verzug, Schwindung und andere Abweichungen zum Soll zu überprüfen, andererseits checken wir auch den Verschleiß der Werkzeuge in der laufenden Produktion. Erst neulich hatten wir so einen Fall. Es ging um die Herstellung eines auf den ersten Blick unscheinbaren Teils aus glasfaserverstärktem Kunststoff, bei dem der Rundlauf eine entscheidende Rolle spielt, da das Teil selbst wiederum als Form fungiert. Es besitzt eine Bohrung, die präzise stimmen muss. Um die Maßhaltigkeit zu gewährleisten, nehmen wir alle drei Stunden ein Teil der laufenden Fertigung, scannen es von innen und außen und vergleichen Soll mit Ist. Genau dieser Kunde fragte mich dann: ‚Herr Seifferth, wie viele Teile können wir eigentlich davon produzieren, bis das Werkzeug so weit abgenutzt ist, dass die Bohrung nicht mehr passt?‘. GFK wirkt abrasiv – es ist also nur eine Frage der Zeit, bis das Werkzeug verschlissen ist. Vor Anschaffung des Scanners begann genau an dieser Stelle das große Rätselraten. Jetzt können wir dem Kunden eine eindeutige, auf harten Fakten gemauerte Antwort geben: Die angesprochene Bohrung des Kunststoffteils wird mit einem Kupferstift hergestellt. Diesen überprüfen wir mittels Scan nun periodisch auf Abnutzung. Ich kann dem Kunden am Ende sagen: Die Ausbringmenge, bevor der Stift gewechselt werden muss, liegt bei X Teilen. Der Datenschatz, den wir durch das Scannen erhalten, sorgt für einen riesigen Wissensvorsprung. Der Fertigungsprozess ist sowohl für uns als auch für den Kunden viel besser planbar.“
Weniger Korrekturschleifen, schnellere Erstbemusterung, feste Terminzusagen
Durch den Einsatz des ATOS Capsule konnte Seifferth seinen Fertigungsprozess extrem straffen: Waren früher vier bis fünf Korrekturschleifen bis zur Erstbemusterung vonnöten, reichen heute zwei bis drei Schleifen. „Wir können nicht nur schneller liefern, sondern selbst bei anspruchsvollen Aufträgen feste Terminzusagen geben. Der komplette Prozess ist berechenbar. Wir wissen genau, was wir am Werkzeug korrigieren müssen, um das gewünschte Resultat zu erhalten. Anstatt den Blick in die Glaskugel zu wagen, können wir heute ganz gezielt die Werkzeuge optimieren und deren Lebenszeit prognostizieren.“
Zukunftsvision: Automatisierung der Messung
Bei der Seifferth GmbH ist die komplette Fräskette bereits automatisiert: Das Unternehmen fertigt mannlos die komplette Nacht hindurch. Nun plant Seifferth die Automatisierung der Messung mit Werkstückhandling ab „Losgröße Eins“. „Wir haben schon damit begonnen interne Standards aufzubauen, um diese Vision zeitnah Realität werden zu lassen.“