Kombination neuester Fertigungstechniken sorgt für hochbelastbare Leichtbau-Produkte
Wie Spritzguss-Hybridstrukturen die Belastungsfähigkeit steigern
Um die Festigkeit und Beständigkeit von Bauteilen bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme zu erhöhen, werden Materialkundler immer einfallsreicher. Für zukünftige Fahrzeug-Designs optimierte FOREL (Forschungs- und Technologiezentrum für Ressourceneffiziente Leichtbaustrukturen) standardmäßig verbaute Sitz-Rückenlehnen. Vor allem bei Unfällen sind diese Bauteile extremen Belastungen ausgesetzt und müssen Menschenleben retten. Mit der innovativen Mehrkomponentenbauweise und verbesserter Spritzguss-Technik gelang es dem Team, die Komponente in fast jedem Aspekt zu optimieren und besser in die Prozesskette zu integrieren.
Einsatz im Auto: Kunststoff-Verbunde ersetzen Stahl und Aluminium
Noch bis heute werden Autos in der Regel in der Schalenbauweise konstruiert. Das Stahl-Chassis wird aus Gewichtsgründen teils mit Aluminium-Türen ergänzt. Carbonfaserverstärkte Bauteile sind derzeit fast nur in nicht strukturell wichtigen Bauteilen zu finden, was hauptsächlich an den hohen Produktionskosten liegt. Bei einigen Einzelteilen eines modernen Automobils lohnt sich allerdings eine Neubewertung unter Gesichtspunkten der inzwischen weit fortgeschrittenen Materialforschung.
Genau hier setzt FuPro an: Das Projekt befasste sich damit, wie ein Autositz in vielerlei Aspekten verbessert werden kann. Dafür schaute sich das Team gewöhnliche Gurt-Integrallehnen an, die Autounfällen widerstehen und dabei Menschen am Gurt halten müssen. Die hohen entstehenden Kräfte machten es bisher schwierig, eine kostengünstige und ähnlich stabile Konstruktion aus alternativen Werkstoffen zu fertigen.
Ziel war die Entwicklung und Umsetzung eines Fertigungsprozesses von Hohlprofilen mit komplexer Geometrie inklusive Mehrkomponentenstrukturen unter Nutzung von Spritzgießtechnologie. Mit dem Verfahren wollte das Team nicht nur das Gewicht um 25 Prozent im Vergleich zum Serienbauteil senken. Zusätzlich sollte die eigene Integrallehne Zulassungstests bestehen. Der Prozess musste außerdem möglichst serientauglich gestaltet werden, um so hohe Stückzahlen bei einer potenziellen Markteinführung erreichen zu können und die Reife der Studie zu beweisen.
Das Team um FuPro berechnete mit strukturmechanischen Simulationen die größten Belastungen und passte schon vor den ersten Versuchen die Guss-Grundstruktur auf die wirkenden Kräfte an. Mit wenigen weiteren Iterationen wurde die Form weiter optimiert.
Spritzgussverfahren ist Alternative zu additiver Fertigung und langwieriger Bauteiloptimierung
Auch, wenn der 3D-Druck potenziell bessere Ergebnisse versprechen könnte: Mit dem Verfahren des FuPro-Forschungsteams konnte die gesamte Spritzgießstruktur in lediglich 90 Sekunden gefertigt werden. Selbst die schnellsten additiven Fertigungsmethoden können bei dieser Geschwindigkeit nicht mithalten. Dazu getrennt muss die Produktionsdauer der zusätzlich verbauten Organobleche betrachtet werden, die größtenteils vom Webe- und Umformungsverfahren sowohl Material der einzelnen Fasern abhängt.
Additive Prozesse können im Sinter-Verfahren Metalle zusammenschmelzen und Strukturen erreichen, die im Spritzgussverfahren nicht denkbar wären. Deswegen ist das Verfahren vor allem für Kleinserien oder Konzepte geeignet, kann aber mit einem Prozess wie FuPro nicht konkurrieren.
Alles über Additive Fertigung
Der 3D-Druck hat zahlreiche Vorteile, die konventionelle Produktionsmethoden nicht bieten können. Aber handelt es sich um ein Allheilmittel? In diesem Thema des Monats befassen wir uns mit Chancen und Einschränkungen der Technologie: Welche Produktionsabläufe können durch additive Verfahren besonders profitieren?
FOREL hat mit dem Prozess im Vergleich zum Referenzbauteil rund 30 Prozent Gewicht einsparen können, da die Stahlkonstruktion zum großen Teil durch die leichteren Verbundwerkstoffe ersetzt werden konnte. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der verwendeten Bauteile. Die Rücklehne besteht nicht mehr aus Stanzblechen und Stahlprofilen, sondern lediglich dem gegossenen Plastik, dem Hohlprofil und einem Organoblech. Dadurch sinkt die Montagezeit und die Anzahl der vorproduzierten Halbzeuge.
Dem gegenüber stehen die derzeit noch erhöhten Fertigungskosten. Die Produktion ist etwas teurer als die von gewöhnlichen Integrallehnen. Allerdings muss zum Start deutlich weniger Geld investiert werden. Es werden weder Biegewerkzeuge noch Fügeprozesse oder Schweiß-Equipment benötigt. Bei Bauteilen, die wetterbeständig gefertigt werden müssen, lässt sich der Korrosionsschutz ebenfalls einsparen.
Leichtbaukomponenten und die Fertigungstechnik von FuPro lassen sich auch außerhalb des Automobil-Marktes anwenden. Auch Züge, Flugzeuge und viele weitere, einzeln bewegliche Bauteile werden zukünftig vom Trend profitieren. Die Adaptierung der Fertigung für strukturell integrale Bauteile in Richtung Guss und die vermehrte Verwendung Glas- respektive Carbonfaser senkt nicht nur die Effizienz bei der Herstellung, sondern auch im laufenden Betrieb. Dazu kommen mögliche Zugewinne in Sachen Haltbarkeit und Materialermüdung.
FOREL (Forschungs- und Technologiezentrum für Ressourceneffiziente Leichtbaustrukturen der Elektromobilität) ist eine national übergreifende, offene Plattform zur Entwicklung von Hightech-Leichtbausystemlösungen in Multi-Material-Design für E-Fahrzeuge der Zukunft. Es bietet die Möglichkeit des Zusammenschlusses namhafter deutscher Entwicklungs- und Forschungszentren mit der Industrie. Der vorwettbewerbliche, projektbezogene Austausch aller beteiligten Partner und die systemische Koordination von Forschungsprojekten steht im Mittelpunkt. FOREL wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.