Mehrere hundert Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr in der weltweiten Stahlproduktion vermeiden – das wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Industriepartner SMS group mit einem neuen Verfahren forcieren. Dieses beruht auf der Modernisierung bestehender Hochofentechnologie mit moderaten Investitionen und wurde bereits erfolgreich in einer Pilotanlage vorgeführt. Die Forschenden berichten in der Fachzeitschrift Energy Advances.
Demonstration und Validierung des Verfahrens wurden bei der Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger) im Saarland durchgeführt. Der Transfer wurde auch durch die Zusammenarbeit mit der omegadot software & consulting GmbH, einer Ausgründung aus dem KIT, machbar. Das auf Industriesoftware spezialisierte Start-up entwickelt eine Software, die eine präzise Simulation und Visualisierung des Verfahrens erlaubt und das Scale-up hin zu einer Industrieanlage maßgeblich unterstützt. Die Pilotanlage wird von SMS group gemeinsam mit den Partnern Dillinger und Saarstahl, die Stahl mit weniger CO₂-Emissionen produzieren wollen, in Dillingen unterhalten.
Stahlindustrie für acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich
„Es ist wichtig zu betonen, dass die Integration des neuen Verfahrens in das Werk nur ein erster Schritt in der Transformation der Stahlindustrie sein wird“, erklärt Gilles Kass aus der Forschungsabteilung bei SMS group, der ebenfalls an dem Artikel mitgearbeitet hat. Rund acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen sind auf die Stahlindustrie zurückzuführen.
„Das muss sich ändern – und zwar schnell“, meint Professor Olaf Deutschmann vom Institut für Technische Chemie und Polymerchemie (ITCP) des KIT. Langfristig gebe es dank neuer Wasserstofftechnologien zwar eine klimaneutrale Perspektive, doch bis dafür weltweit ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe und neu gebaute Anlagen in Betrieb gingen, werde es noch einige Jahre brauchen: „In der Klimakrise haben wir dafür keine Zeit, wir müssen schon jetzt gegensteuern.“
Schnell einen deutlichen Effekt auch in konventionellen Anlagen erzielen ließe sich mit einem neuen Verfahren, das seine Forschungsgruppe gemeinsam mit dem Industriepartner SMS group mit Paul Wurth Entwicklungen und dem Start-up omegadot aus dem KIT vorgeführt hat.
„Das Potenzial ist enorm. Wir erwarten, dass sich durch die Nachrüstung bestehender Hochöfen bei moderaten Investitionskosten etwa zwei bis vier Prozent der weltweiten direkten CO₂-Emissionen einsparen lassen“, so Deutschmann.
Neues Verfahren reduziert Emissionen und spart Energie
Das neue Verfahren setzt beim Rohstoff Eisen an, den die Stahlwerke meist direkt aus Bergbauerzen gewinnen, in denen er in oxidierter Form enthalten ist. Üblicherweise wird die Reduktion, also das Entfernen des Sauerstoffs, mithilfe von Koks im Hochofen durchgeführt. Dieser liefert nicht nur als Brennstoff die notwendige Energie für die Schmelze, sondern ist gleichzeitig auch als Reduktionsmittel für die chemische Reaktion.
„Koks wird speziell für diesen Zweck in einem energieintensiven Prozess aus fossiler Kohle gewonnen“, erklärt Philipp Blanck vom ITCP, der eng mit SMS group an der im Stahlwerk integrierten Pilotanlage zusammengearbeitet hat. „In unserem Verfahren recyceln wir CO₂ aus dem Hochofengas mit Kokereigas, um ein Synthesegas mit hohem Wasserstoffanteil zu produzieren, das als Koksersatz im Hochofen genutzt werden kann.“
Um eine bestehende Anlage nachzurüsten, müssen vorhandene Heißwinderzeuger, auch Cowper genannt, angepasst werden. In diesen Cowpern werden dann Methan und CO₂ aus dem Kokereigas zusammen mit CO₂ aus dem Hochofengas zu Synthesegas, einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, umgesetzt.
Dieser Prozess, die sogenannte Trockenreformierung, zwingt zu einer hohen Temperatur, die zum großen Teil aus der Prozesswärme des Hochofens gewonnen wird. Das Synthesegas wird anschließend in den Hochofen eingeblasen und unterstützt dort die Reduktion des Eisenoxids. „Pro Tonne erzeugtem Stahl können so signifikante Mengen an Koks eingespart werden, was wiederum die spezifischen CO₂-Emissionen um bis zu zwölf Prozent senkt“, so Blanck.
„Es ist wichtig zu betonen, dass die Integration des neuen Verfahrens in das Werk nur ein erster Schritt in der Transformation der Stahlindustrie sein wird“, sagt Gilles Kass aus der Forschungsabteilung bei SMS group, der ebenfalls an dem Artikel mitgearbeitet hat.