Wire Arc Additive Manufacturing ermöglicht metallische Bauteile mit optimalem Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht. Bei BMW sollen nach Prüfstandtests erste Erprobungen im Fahrzeug ab 2025 erfolgen.
Die BMW Group hat an ihrem Additive Manufacturing Campus in Oberschleißheim einen „heißen Draht“ zu einem innovativen additiven Fertigungsverfahren für metallische Fahrzeugkomponenten und Werkzeuge. Beim Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) wird als Ausgangsmaterial ein Draht („Wire“), etwa aus Aluminium, durch einen Lichtbogen („Arc“) zum Schmelzen gebracht. Ein Roboter legt software-gesteuert viele Schweißnähte akkurat aufeinander, bis das komplette Bauteil fertig gestellt ist. Weil durch den „Druck“ Lage für Lage nicht auf die Entformbarkeit aus einem Werkzeug geachtet werden muss, sind auch hohle Strukturen mit einem optimalen Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht möglich. Dadurch können die Komponenten leichter und steifer ausfallen als vergleichbare Teile, die aktuell in der Serie beispielsweise im Druckgussverfahren gefertigt werden. Zudem lassen sie sich durch einen geringeren Energiebedarf sowie weniger Materialabfall nachhaltiger produzieren. Perspektivisch ist ein Einsatz von Bauteilen, die im WAAM-Verfahren gefertigt wurden, in Serienfahrzeugen der BMW Group vorgesehen.
Durch die große Breite und Höhe einer einzelnen Schweißnaht können Bauteile durch WAAM besonders schnell hergestellt werden. Im Unterschied zu dem bei BMW bereits in der Prototypen- und Kleinserienfertigung verwendeten Laserstrahlschmelzen eignet sich WAAM besonders für größere Komponenten. Die typischen Wandstärken passen gut zu Komponenten in den Bereichen Karosserie, Antrieb und Fahrwerk. Aber auch Werkzeuge und Vorrichtungen lassen sich in diesem Hightech-Verfahren herstellen, das auch in der Luftfahrt-Industrie eingesetzt wird.
BMW erprobt dieses Verfahren am „Additive Manufacturing Campus“ in Oberschleißheim, wo Produktion, Forschung und Weiterbildung in diesem Bereich unter einem Dach gebündelt werden. Das Unternehmen ist mit mehr als 30 Jahren Erfahrung ein Vorreiter im Bereich des allgemein als 3D-Druck bekannten Additive Manufacturing. Seit 2015 beschäftigen sich Mitarbeitende der BMW Group mit dem WAAM-Verfahren, welches auf dem Auftragsschweißen basiert. Seit 2021 wird dort eine WAAM-Zelle für die Fertigung von Erprobungsbauteilen genutzt. Eine dieser Beispielanwendungen ist eine Federbeinstütze, die in ausgiebigen Testläufen auf dem Prüfstand mit dem Serienbauteil aus Aluminium-Druckguss verglichen wird. „Bereits in dieser frühen Phase der Technologiebefähigung steht fest, dass das WAAM-Verfahren zu geringeren Emissionen im Produktionsprozess führen kann. Die Bauteile können durch ihr geringeres Gewicht, ihre günstige Materialeinsatzquote und die Möglichkeit, Grünstrom zu verwenden, effizienter produziert werden“, berichtet Jens Ertel, Leiter BMW Additive Manufacturing. Der nächste Entwicklungsschritt auf dem Weg zur Serienreife seien Erprobungen von Bauteilen im Fahrzeug, die in absehbarer Zeit beginnen würden.
Die Schweißnähte im WAAM-Verfahren sorgen zwar dafür, dass die Oberflächen der Bauteile nicht glatt, sondern leicht wellig ausfallen und in entscheidenden Bereichen fertigbearbeitet werden müssen. Die Ingenieurinnen und Ingenieure der BMW Group konnten aber zeigen, dass WAAM-Bauteile auch ohne Nachbehandlung der Oberfläche für hohe, auch zyklische, Belastungen eingesetzt werden können. Um die Haltbarkeit direkt aus der Fertigung heraus zu gewährleisten, sind optimierte Prozessparameter entscheidend: Die Kombination aus Schweißprozess und Roboterbahnplanung muss optimal aufeinander abgestimmt werden.
Gestaltung mit Generative Design und Algorithmen
Um das Potenzial von im WAAM-Verfahren gefertigten Bauteilen optimal nutzen zu können, ist die Kombination zwischen dem Herstellungsverfahren und einer generellen neuen Gestaltung des Bauteils entscheidend. Dafür wird in der BMW Group die Nutzung von Generative Design weiter vorangetrieben. Hierbei gestaltet der Computer mit Hilfe von Algorithmen basierend auf den benötigten Anforderungen optimierte Bauteile. Diese Algorithmen werden in enger Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams entwickelt und sind unter anderem von evolutionären Prozessen der Natur inspiriert: Wie bei bionischen Strukturen wird in einem ersten Schritt für die Topologie des Bauteils nur das Material verwendet, das wirklich benötigt wird. Und bei der Feinoptimierung im zweiten Schritt wird das Bauteil nur an solchen Stellen verstärkt, wo es notwendig ist. Das führt am Ende zu leichteren und steiferen Komponenten sowie einer höheren Effizienz und einer gesteigerten Fahrdynamik des Fahrzeugs.
„Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die WAAM-Technologie aus der Forschung heraus zu einem flexiblen Werkzeug nicht nur für Versuchs-, sondern auch für Serienbauteile entwickelt hat. Der Einsatz von Generative Design Methoden ermöglicht uns, die Gestaltungsfreiheit und damit auch das Potential der Technologie vollständig zu nutzen. Das war vor wenigen Jahren noch undenkbar“, so Karol Virsik, Leiter BMW Group Forschung Fahrzeug.
Fertigungsverfahren können sich ergänzen
Dabei stünden verschiedene additive Fertigungsverfahren nicht zwangsläufig miteinander im Wettbewerb, sondern seien als Ergänzung zueinander zu sehen. Für höchste Detailauflösung werde etwa das Laserstrahlschmelzen auch künftig Vorzüge gegenüber dem WAAM-Verfahren bieten. In Bezug auf die mögliche Größe des Bauteils und die Auftragsrate sei dagegen das Wire Arc Additive Manufacturing überlegen. BMW plane zunächst mit einer zentralen WAAM-Fertigung von Bauteilen in Oberschleißheim, perspektivisch sei aber auch eine Produktion an anderen Standorten und der Einsatz der Technologie bei Zulieferern möglich. Denkbar wäre zukünftig sogar, einzelne Bauteile mit diesem Verfahren direkt am Montageband zu produzieren und ohne neue Werkzeuge, allein durch Änderungen der Software, verschiedene Teile zu fertigen. Zudem lasse sich auch die Nachhaltigkeit durch vermehrten Einsatz von recycelten Metallen noch weiter steigern.
Quelle: BMW Group