Aus Resten der Aluminiumproduktion lässt sich mit Wasserstoff in einem wirtschaftlichen Verfahren CO2-freies Eisen erzeugen, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung belegen.
Bei der Produktion von Aluminium entstehen jährlich rund 180 Millionen Tonnen giftigen Rotschlamm. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung belegen nun, wie sich aus dem Abfall der Aluminiumproduktion auf relativ simple Weise grüner Stahl erzeugen lässt. In einem Lichtbogenofen, wie ihn die Stahlindustrie seit Jahrzehnten einsetzt, wandeln sie das im Rotschlamm enthaltene Eisenoxid mithilfe von Wasserstoffplasma in Eisen um.
Auf diese Weise ließen sich aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die bislang weltweit existieren, knapp 700 Millionen Tonnen CO2-freier Stahl gewinnen. Das entspricht einem guten Drittel der jährlichen Stahlproduktion weltweit. Und wie das Max-Planck-Team zeigt, würde sich dieser Prozess auch ökonomisch als sinnvoll erweisen.
Die Nachfrage nach Stahl und Aluminium wird Prognosen zufolge bis 2050 um bis zu 60 Prozent anziehen. Die konventionelle Produktion dieser Metalle schädigt der Umwelt jedoch erheblich. So entstehen acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen in der Stahlindustrie, sie ist damit die Branche mit dem größten Ausstoß an Treibhausgasen. Bei der Aluminiumproduktion ergibt sich jährlich etwa 180 Millionen Tonnen Rotschlamm, der stark ätzend ist und Spuren von Schwermetallen wie etwa Chrom aufweist. Dieser Abfall wird unter anderem in Australien, Brasilien und China bestenfalls in gigantischen Deponien aufwendig getrocknet und entsorgt. Bei starkem Regen wird der Rotschlamm oft aus der Deponie geschwemmt, und bei Trockenheit als Staub vom Wind in der Umwelt verbreitet. Zudem greift der stark alkalische Rotschlamm die Betonwände der Deponien an, sodass auslaufender Rotschlamm bereits mehrmals Umweltkatastrophen verursachte, so etwa in China 2012 oder in Ungarn 2010. Und große Mengen Rotschlamm werden ohnehin einfach in der Natur entsorgt.
Potenziell 1,5 Milliarden Tonnen weniger CO2 aus der Stahlindustrie
„Unser Prozess könnte gleichzeitig das Abfallproblem der Aluminiumproduktion lösen und die CO2-Bilanz der Stahlindustrie verbessern“, sagt Matic Jovičevič-Klug, der als Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Eisenforschung maßgeblich an der Arbeit beteiligt war.
In einer Studie, die im Fachmagazin Nature erschien, zeigt das Team, wie sich Rotschlamm als Rohstoff der Stahlindustrie einsetzen lässt. Denn der Abfall der Aluminiumproduktion enthält bis zu 60 Prozent Eisenoxid. Die Max-Planck-Wissenschaftler schmelzen den Rotschlamm in einem Lichtbogenofen und reduzieren das darin enthaltene Eisenoxid gleichzeitig mit einem Plasma, das zehn Prozent Wasserstoff aufweist, zu Eisen. Die Veränderung, im Fachjargon Plasmareduktion genannt, dauert gerade einmal zehn Minuten, wobei sich das flüssige Eisen von den flüssigen Oxiden abspaltet und anschließend einfach abscheiden lässt. Das Eisen ist so rein, dass es sich direkt zu Stahl weiterverarbeiten lässt.
Die zurückbleibenden Metalloxide sind nicht mehr ätzend und erstarren beim Abkühlen zu einem glasartigen Material, dass sich etwa in der Bauindustrie als Füllmaterial verwenden lässt. Andere Forschungsgruppen haben aus Rotschlamm in einem ähnlichen Ansatz mit Koks Eisen hergestellt, wobei stark verunreinigtes Eisen und große Mengen CO2 entstehen. Mit grünem Wasserstoff als Reduktionsmittel werden diese Treibhausgasemissionen nicht entstehen. „Wenn man aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die bei der weltweiten Aluminiumproduktion bislang angefallen sind, mit grünem Wasserstoff Eisen erzeugen würde, könnte die Stahlindustrie fast 1,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen“, erklärt Isnaldi Souza Filho, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Eisenforschung.
Ein wirtschaftliches Verfahren, auch mit grünem Wasserstoff und Strom
Auch die Schwermetalle im Rotschlamm lassen sich mit dem Verfahren quasi entschärfen. „Chrom haben wir nach der Reduktion im Eisen nachgewiesen“, sagt Matic Jovičevič-Klug. „Auch andere Schwer- und Edelmetalle gehen wahrscheinlich ins Eisen oder einen separaten Bereich über. Das werden wir in weiteren Studien untersuchen. Wertvolle Metalle könnte man dann abtrennen und weiterverwenden.“ Und Schwermetalle, die in den Metalloxiden zurückbleiben, seine darin fest gebunden und könnten nicht mehr mit Wasser ausgeschwemmt werden, wie dies beim Rotschlamm möglich sein kann.
Eisen mit Wasserstoff direkt aus Rotschlamm zu erzeugen, nützt aber nicht nur der Umwelt doppelt. Der Prozess ergibt auch ökonomisch Sinn, wie das Forschungsteam in einer Analyse der Kosten belegt hat. Mit Wasserstoff und einem Strommix für den Lichtbogenofen aus nur teilweise regenerativen Quellen lohnt sich das Verfahren bereits, wenn der Rotschlamm 50 Prozent Eisenoxid aufweist. Berücksichtigt man noch die Kosten für die Entsorgung von des Rotschlamms, sind darin sogar nur 35 Prozent Eisenoxid ausreichend, um den Prozess wirtschaftlich zu machen. Mit grünem Wasserstoff und Strom ist bei den heutigen Kosten – den Aufwand für die Deponierung des Rotschlamms mit kalkuliert – ein Anteil von 30 bis 40 Prozent Eisenoxid zwingend, damit das entstehende Eisen am Markt wettbewerbsfähig ist. „Das sind vorsichtige Abschätzungen, weil die Kosten für die Entsorgung des Rotschlamms wahrscheinlich eher niedrig berechnet sind“, sagt Isnaldi Souza Filho. Ein weiter Vorteil aus Sicht der Praxis: Lichtbogenöfen sind in der Metallindustrie – auch in Aluminiumhütten – etabliert, da sie damit Altmetall einschmilzt. In vielen Fällen müsste die Branche also nur wenig investieren, um nachhaltiger zu werden. „Uns war es wichtig, in unserer Studie auch die ökonomischen Aspekte zu berücksichtigen“, sagt Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung. „Jetzt kommt es auf die Industrie an, ob sie die Plasmareduktion von Rotschlamm zu Eisen auch einsetzt.“